Regelbasiertes Schreiben und Sprachregeln für die Technische Redaktion

Wo die Technische Dokumentation von Standards profitiert

Eine Einladung zu einer Firmenfeier, die Betriebsanweisung für eine Hochdruckpumpe und eine Hausordnung haben eines ge­mein­sam: Jeder dieser Texte er­füllt einen ganz spe­zi­fi­schen Auftrag. In der Technischen Dokumentation liegt der Auftrag in der klaren und ein­deu­ti­gen Vermittlung von Wissen. Sprachregeln un­ter­stüt­zen die Technische Redaktion dabei, leicht ver­ständ­li­che Texte zu verfassen.

Was sind Sprachregeln?

Sprachregeln sind frei­wil­li­ge Einschränkungen in Wortschatz, Grammatik und Satzbau. „Nur eine Aussage pro Satz,“ ist eine Sprachregel, die Ihre Technische Redaktion wahr­schein­lich schon jetzt strikt be­folgt. Der Verzicht auf Füllwörter und Synonyme sind wei­te­re ver­brei­te­te und nütz­li­che Sprachregeln.

Spannender werden Sprachregeln dann, wenn sie Mehrdeutigkeiten ver­hin­dern, indem sie Wörter auf eine ein­zi­ge Bedeutung re­du­zie­ren. Solche Regeln be­schrän­ken bei­spiels­wei­se den Einsatz des Wortes „Entscheidung“ auf das Ergebnis der Entscheidungsfindung, ver­bie­ten aber dessen Nutzung für den Prozess der Entscheidungsfindung selbst. Oft er­leich­tern schon wenige, ge­schickt aus­ge­wähl­te Sprachregeln die Arbeit für die Technische Redaktion.

Wo liegt der Nutzen von Sprachregeln?

Die Deutsche Sprache bietet eine breite Palette an Ausdrucksweisen, um einen Sachverhalt wahl­wei­se exakt und prä­zi­se oder episch und blumig zu be­schrei­ben. Doch sind diese Möglichkeiten bei weitem nicht gleich­wer­tig. Je kom­ple­xer ein Sachverhalt dar­ge­stellt wird, desto schwe­rer fällt es den Lesern, ihn zu verstehen.

Das Einhalten von Sprachregeln lenkt den Fokus der Technischen Redakteure zurück auf das Formulieren in einer leicht ver­ständ­li­chen Sprache. Handlungsanweisungen und Betriebsanleitungen, die unter Verwendung nütz­li­cher Sprachregeln ver­fasst wurden, ver­ste­hen Nutzer oft schon beim ersten Durchlesen. Gleichzeitig sinkt für Ihre Technische Redaktion der Aufwand der Text-Nachbearbeitung.

Aller Anfang ist leicht

In der Schule wird ge­lehrt, dass Substantive den Mittelpunkt eines Satzes aus­ma­chen. Nicht zu­letzt daher heißen sie Hauptworte. Doch nehmen Sie sich einmal etwas Zeit und ana­ly­sie­ren Sie den ty­pi­schen Sprachgebrauch in Ihrer Technischen Dokumentation. Sie werden fest­stel­len, dass zum großen Teil Verben den Inhalt der Sätze definieren.

Auch wenn „Tuwort“ in­zwi­schen ver­al­tet ist, be­schreibt es doch gut, warum die Verben so wich­tig sind: Die Technische Redaktion ver­fasst viele Anleitungen. In Anleitungen be­schrei­ben Verben, welche Handlungen durch­zu­füh­ren sind. Für die Sprachregeln be­deu­tet das, dass wir in den Verben den ersten wich­ti­gen Ansatzpunkt finden, um mit we­ni­gen Regeln eine deut­li­che Vereinfachung herbeizuführen.

Verben reduzieren und definieren

Einige Quellen zählen 4.000, andere mehr als 14.000 Verben in der Deutschen Sprache. Weit mehr, als die Technische Redaktion je be­nut­zen müsste. Der erste Schritt zur ein­fa­che­ren Sprache in der Technischen Dokumentation be­steht darin, die Zahl der ge­nutz­ten Verben einzuschränken.

Analysieren Sie Ihre Bestandsdokumentation und finden Sie heraus, welche Verben bis­lang ein­ge­setzt wurden. Wahrscheinlich be­fin­den sich dar­un­ter viele Verben mit einer ähn­li­chen Bedeutung, bei­spiels­wei­se „auf­sper­ren“ und „auf­schlie­ßen“. Beschränken Sie sich künf­tig auf nur eine Variante davon.

Erstellen Sie eine Liste aller be­nutz­ter Verben und wählen Sie jene Verben aus, die sie weiter ver­wen­den möch­ten. Hierbei ist es aus­ge­spro­chen wich­tig, die Technische Redaktion in die Entscheidungsfindung mit ein­zu­be­zie­hen. Ein Richtwert aus un­se­rer Erfahrung zeigt, dass oft schon etwa 50 gut de­fi­nier­te Verben aus­rei­chen, um eine aus­ge­zeich­ne­te Technische Dokumentation zu verfassen.

Verbformen stark beschränken

Die Deutsche Sprache ist nicht nur reich an Verben, son­dern auch an deren Beugungsformen. Mit drei Personen, sechs Zeiten, Partizipien und vielem mehr, be­sitzt die Deutsche Sprache weit über 250 Konjugationsformen, mit denen sprach­be­gab­te Autoren pro­blem­los jonglieren.

Die Technische Redaktion be­nö­tigt aus dieser Vielfalt jedoch nur einen klei­nen Ausschnitt. Gewöhnlich rei­chen schon sieben Beugungsformen aus:

  • Dritte Person Singular in der Gegenwart: „Die Bremse stoppt die Maschine.“
  • Dritte Person Plural in der Gegenwart: „Vier Bremsklötze stop­pen die Drehung.“
  • Dritte Person Singular in der voll­ende­ten Vergangenheit: „Die Bremse hat die Maschine gestoppt.“
  • Dritte Person Plural in der voll­ende­ten Vergangenheit: „Vier Bremsklötze haben die Drehung gestoppt.“
  • Infinitiv als Handlungsaufforderung „Die Maschine stoppen.“
  • Zustandspassiv im Singular „Die Maschine ist gestoppt.“
  • Zustandspassiv im Plural „Alle Motoren sind gestoppt.“

Wenn Ihre Technische Redaktion der­zeit andere Beugungsformen ver­wen­det, prüfen Sie, in wel­chen Zusammenhängen diese ver­wen­det werden. Oft ist die Nutzung an­de­rer Personen oder Zeiten ein Indiz dafür, dass die Anleitung auch in­halt­lich von einer ein­heit­li­chen Handlungsanweisung oder Beschreibung ab­weicht. Halten Sie alle für Ihre Technische Dokumentation not­wen­di­gen Beugungsformen als Sprachregel fest.

Passive Sprache mit Bedacht verwenden

Der Satz „Schalten Sie die Stromzufuhr ab.“ ist klarer, ein­deu­ti­ger und si­che­rer als „Die Stromzufuhr wird ab­ge­schal­tet.“ Wahrscheinlich nutzt Ihre Technische Redaktion daher schon jetzt über­wie­gend aktive Formulierungen. Die Einschränkung der er­laub­ten Beugungsformen un­ter­stützt die Verwendung dieser ak­ti­ven Sprache.

Das Vorgangspassiv, das mit dem Hilfsverb „werden“ ge­bil­det wird, lässt den Handelnden da­ge­gen unklar: „Die Stromzufuhr wird ab­ge­schal­tet.“ Bei diesem Beispiel mag es sich um eine au­to­ma­ti­sche Aktion han­deln oder die Folge einer Handlung des Maschinenbedieners. Solche Unklarheiten gilt es in der Technischen Dokumentation zu vermeiden.

Das Zustandspassiv ist da­ge­gen oft nütz­lich und wird mit dem Hilfsverb „sein“ ge­bil­det: „Die Stromzufuhr ist aus­ge­schal­tet.“ Der be­schrie­be­ne Zustand mag die Voraussetzung einer Handlung be­schrei­ben oder deren Ergebnis. Der Zustandspassiv ver­mit­telt dem Leser ein Verständnis für die Situation, in der er eine Handlung aus­füh­ren wird.

Signalwörter festlegen

Die Technische Redaktion ver­fasst Texte, die eine ein­deu­ti­ge Funktion er­fül­len: Die Texte sollen an­lei­ten, be­schrei­ben, er­klä­ren, warnen, zeigen oder de­fi­nie­ren. Lesen Sie unter diesem Aspekt die fol­gen­den Sätze:

  • 1. Der Motor ist be­triebs­be­reit, wenn die Betriebsleuchte aufleuchtet.
  • 2. Leuchtet die Betriebsleuchte auf, dann ist der Motor betriebsbereit.
  • 3. Mit Aufleuchten der Betriebsleuchte kann die Maschine als be­triebs­be­reit an­ge­se­hen werden.
  • 4. Die Betriebsfähigkeit des Motors wird mit dem Aufleuchten der Betriebsleuchte angezeigt.
  • 5. Mit dem Erreichen der Betriebsfähigkeit und dem Aufleuchten der Betriebsleuchte ist der Motor einsatzbereit.

Welche Formulierung fanden Sie am leich­tes­ten ver­ständ­lich? Wahrscheinlich einen der ersten beiden Sätze, denn diese ver­wen­den Signalworte. „Wenn“ und „dann“ si­gna­li­sie­ren schon durch ihr Auftreten, dass eine Erklärung folgen wird. Legen Sie in ihren Sprachregeln daher fest, dass Begründungen stets mit einem Signalwort ein­ge­lei­tet werden. Auch bei „Warnung“, „Hinweis“ und „Gefahr“ han­delt es sich um nütz­li­che Signalwörter, die es dem Leser er­leich­tern, den Inhalt des Textes rasch und rich­tig zu verstehen.

Sollten Sie bei der Auswahl ge­eig­ne­ter Signalwörter un­si­cher sein, wenden Sie sich bitte an uns. Unser er­fah­re­nes Team un­ter­stützt Sie dabei, auf Basis Ihrer vor­han­de­nen Dokumentation in kür­zes­ter Zeit pas­sen­de Signalwörter für das Erklären, Definieren und Warnen aus­zu­wäh­len. Signalwörter haben einen ent­schei­den­den Einfluss darauf, wie schnell Nutzer gerade in einer Notsituation Warn- oder Sicherheitshinweise verstehen.

Wörterbuch vermeidet Mehrdeutigkeiten

Nicht nur bei den Signalworten gilt es, Mehrdeutigkeiten zu ver­mei­den. Auch im Fließtext ist es sinn­voll, stets ein­deu­ti­ge Formulierungen zu wählen. Der Begriff „Lösung“ wird oft gleich­be­deu­tend mit „Problemlösung“ ein­ge­setzt. In der che­mi­schen Industrie ist mit „Lösung“ jedoch die flüs­si­ge Mischung zweier Stoffe ge­meint. Findet ein Leser in einer Produkt-Beschreibung das Wort „Lösung“, dann ist mög­li­cher­wei­se erst beim wie­der­hol­ten Lesen klar, welche Bedeutung ge­meint ist.

Solche Mehrdeutigkeiten ver­mei­den Sie, wenn Ihre Technische Redaktion ein Wörterbuch anlegt, das jedem ein­ge­setz­ten Wort nur eine ein­zi­ge Bedeutung zu­weist. So wird „Lösung“ nur für die Mischung ein­ge­setzt und „Problemlösung“ stets ausgeschrieben.

Auf der an­de­ren Seite soll­ten Sie auch jedem Sachverhalt und jedem Bauteil eine ein­deu­ti­ge Bezeichnung zu­ord­nen. Schreiben Sie also bei­spiels­wei­se immer über die „Vakuumdiode“ oder immer über die „Einzeldiode“, doch mi­schen Sie diese Begriffe nie­mals, wenn Sie das glei­che Bauteil be­schrei­ben. Auch diese Bauteil-Bezeichnungen finden Eingang in Ihr Wörterbuch für die Technische Redaktion.

Floskeln, Füllwörter, Schachtelsätze verbannen

Floskeln und Füllwörter wie „etwa“, „ge­wis­ser­ma­ßen“ und „in diesem Zusammenhang“ tragen in der Schriftsprache selten einen in­halt­li­chen Mehrwert. Für die Technische Redaktion emp­fiehlt es sich daher, eine Wortliste dieser zu ver­mei­den­den Phrasen an­zu­le­gen. Mit ge­eig­ne­ter Software können diese Worte dann bei ihrem Auftreten im Text her­vor­ge­ho­ben werden. Ein ver­se­hent­li­ches Einschleichen ver­mei­den Sie damit.

Auch Schachtelsätze be­ein­träch­ti­gen die Verständlichkeit eines Textes. Der Satz „Eine zweite Ansaugöffnung, die mit einem Mikrofilter aus­ge­stat­tet wird, ist eine not­wen­di­ge Bedingung.“ ent­hält bei­spiels­wei­se 13 Worte und zwei Kommas. Mit ge­schick­ter Umstellung lassen sich fünf Worte und beide Kommas kürzen: „Notwendig ist eine zweite Ansaugöffnung mit einem Mikrofilter.“ In vielen Fällen lassen sich lange Sätze besser durch eine Aufzählung ersetzen.

Regeln ausformulieren

Als letz­ten Schritt geht es daran, die ge­wünsch­ten Sprachregeln aus­zu­for­mu­lie­ren, um sie in einem Handbuch für die Technische Redaktion zu­sam­men­zu­füh­ren. Das Handbuch dient als Nachschlagewerk für die Technischen Redakteure und gleich­zei­tig als Einführung für neue Mitarbeiter. Die Regeln können dabei auf zwei ver­schie­de­ne Weisen aus­ge­drückt werden, die sehr un­ter­schied­li­che Vorteile haben:

Positiv for­mu­lier­te Regeln und Vorgaben de­fi­nie­ren genau, welche Worte er­laubt sind, welche Beugungsformen und Formulierungen. Diese Regeln sind gut ma­schi­nell kon­trol­lier­bar, was die Einhaltung stark er­leich­tert. Im Gegenzug wird jedoch sowohl der Wortschatz, wie auch die Grammatik, ver­gleichs­wei­se stark eingeschränkt.

Negativ for­mu­lier­te Regeln und Vorgaben führen da­ge­gen auf, welche Worte, Formulierungen oder gram­ma­ti­schen Wendungen zu ver­mei­den sind. Diese Regeln rücken Fehler stär­ker in das Bewusstsein der Technischen Redaktion. Die Redakteure be­hal­ten dabei jedoch weit mehr Freiheiten bei der Formulierung der Technischen Dokumentation, als bei der po­si­ti­ven Regelvorgabe.

Fazit

Fachliche Kompetenz be­nö­tigt keine ge­ho­be­ne Sprache. Im Gegenteil, es be­deu­tet großes Können, kom­ple­xe Zusammenhänge in ein­fa­chen Worten aus­zu­drü­cken. Der Einsatz von Sprachregeln un­ter­stützt die Technische Redaktion dabei, ein­heit­li­che und kon­sis­ten­te Dokumentationen zu ver­fas­sen, die Kunden schon beim ersten Lesen verstehen.